Verkehrssicherungspflichten des Schwimmbadbetreibers hinsichtlich einer Wasserrutsche

OLG Koblenz, Beschluss vom 26.04.2010 – 1 W 200/10

Ist für einen umsichtigen und verständigen Schwimmbadbesucher ohne weiteres zu erkennen, dass es sich bei der Austrittsöffnung in der Wand oberhalb des Wasserbeckens nicht um einen Zugang zu einer besonderen Attraktion (Schatzinsel) handelt, sondern vielmehr um die Austrittsöffnung einer Wasserrutsche, bedarf es nicht besonderer Warnhinweise auf die Funktion der sich in der Wand befindlichen Austrittsöffnungen. Der Schwimmbadbetreiber darf vielmehr davon ausgehen, dass die Ausgestaltung der Örtlichkeit die Funktion der Austrittsöffnungen in der Wand deutlich macht.(Rn.9)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 01.03.2010 wird zurückgewiesen.

Gründe

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Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 127 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

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Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage versagt.

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Der Antragstellerin stehen die geltend gemachten Ansprüche weder aus § 280 Abs. 1 BGB noch aus § 823 Abs. 1 BGB zu.

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Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist eine schuldhafte (Verkehrssicherungs-) Pflichtverletzung der Beklagten im Hinblick auf die Gestaltung der streitgegenständlichen Örtlichkeit.

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Grundsätzlich ist die Beklagte gegenüber den Besuchern des Freizeitbades verpflichtet, Rücksicht auf deren Rechtsgüter zu nehmen und vor allem Gefährdungen und Schädigungen nach Möglichkeit auszuschließen. Diese Pflicht beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle für Rechtsgüter Anderer setzt und beherrscht, die notwendigen Schutzvorkehrungen zu treffen hat. Inhalt, Umfang und Grenzen dieser Pflichten bestimmen sich zum einen nach den berechtigten Sicherheitserwartungen des Verkehrs und andererseits nach der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für den Sicherungspflichtigen. Allerdings ist eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar. Der Pflichtige muss deshalb nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadens Vorsorge treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind dabei die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, das heißt die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sind, solche Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder nicht fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen. Allerdings ist der Dritte – hier der Schwimmbadbesucher – nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (vgl. BGH NJW 2006, 2326; OLG Hamm, NJW-RR 2006, 1100; Palandt-Sprau, BGB, 69. Aufl., § 823, Rdnr. 51).

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Legt man diesen Maßstab auf den streitgegenständlichen Unfall an, stellt der Bereich des Ausgangs der Wasserrutsche, in dem die Antragstellerin erheblich verletzt wurde, keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dar, die weitergehende Sicherungsmaßnahmen erfordern würde.

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Das Landgericht konnte vorliegend auch ohne Durchführung einer Beweisaufnahme in der Sache entscheiden, da der sich aus den Lichtbildern ergebende Zustand des Unfallbereiches entsprechend dem Vortrag der Antragstellerin zugrunde gelegt werden kann.

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Vor den beiden Röhrenöffnungen in der Wand im Keller des Schwimmbades befinden sich jeweils Wasserbecken, wobei vor dem streitgegenständlichen Becken ein Drehkreuz angebracht ist.

9

Bereits aus den zur Akte gereichten Lichtbildern lässt sich deutlich entnehmen, dass für einen umsichtigen und verständigen Schwimmbadbesucher ohne weiteres zu erkennen war, dass es sich bei den Austrittsöffnungen in der Wand oberhalb des Wasserbeckens nicht um einen Zugang zu einer besonderen Attraktion (Schatzinsel) handelt, sondern vielmehr um die Austrittsöffnung einer Wasserrutsche. Hier befindet sich das Ende einer von oben kommenden Röhre, aus der Wasser austrat. Besonderer Warnhinweise auf die Funktion der sich in der Wand befindlichen Austrittsöffnungen bedurfte es nicht. Die Antragsgegnerin durfte vielmehr davon ausgehen, dass die Ausgestaltung der Unfallörtlichkeit die Funktion der Austrittsöffnungen in der Wand deutlich macht. Keineswegs musste damit gerechnet werden, dass Schwimmbadbesucher zunächst das Drehkreuz passieren, das kleine Wasserbecken durchqueren und sodann von unten in die Austrittsöffnung einer Wasserrutsche hineinklettern, um sich dort aufzuhalten beziehungsweise den Zugang zu einer besonderen Attraktion zu suchen.

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Aus der tatsächlichen Ausgestaltung des Unfallbereiches lässt sich bereits kein verkehrswidriger Zustand ableiten, der eine (Verkehrssicherungs-)Pflichtverletzung der Antragsgegnerin begründen könnte.

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Danach bestehen die geltend gemachten Ansprüche bereits dem Grunde nach nicht.

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Darüber hinaus würde – eine Pflichtverletzung der Antragsgegnerin unterstellt – entsprechend den Ausführungen des Landgerichts im Rahmen des angefochtenen Beschlusses den geltend gemachten Ansprüchen jedenfalls § 254 BGB entgegenstehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die ausführliche und zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden.

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Auch für den Senat ist das Verhalten der Antragstellerin – Hineinkrabbeln in das Ende einer Wasserrutsche – nicht nachvollziehbar; ihr Verschulden stellt die weitaus überwiegende Schadensursache dar, so dass ein etwaiges Verschulden der Antragsgegnerin zurücktreten würde.

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Vor diesem Hintergrund war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

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